Neuausrichtung der Entwicklung der Übertragungsinfrastruktur

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Netzplanung von einem fragmentierten nationalen Bereich zu einem eher EU-weiten Planungsansatz entwickelt, der die Integration des Energiebinnenmarktes unterstützt.

Im Jahr 2003 öffnete die Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 die Tür für Investitionen Dritter in die Übertragung, d. h. in kommerzielle Übertragungsleitungen, und die Entscheidung Nr. 1229/2003/EG legte Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze fest. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass einige Planer von Energienetzen Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit neuer Investitionen in die Erzeugung und die Netze geäußert hatten, um das prognostizierte Nachfragewachstum zu decken. Drei Jahre später wurde mit der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG das Konzept des „Vorhabens von europäischem Interesse“ zusätzlich zu den bereits bestehenden Kategorien der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI) und der vorrangigen Vorhaben eingeführt.

Eine weitere Europäisierung der Netzplanung erfolgte 2009 mit dem Dritten Energiepaket, mit dem das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber für Elektrizität und Gas (ENTSO-E und ENTSOG) geschaffen wurde. Sie wurden verpflichtet, den Zehnjahresnetzentwicklungsplan (TYNDP) für Strom und Gas zu entwickeln und alle zwei Jahre zu veröffentlichen, wobei sie auf nationalen Entwicklungsplänen und den Bedürfnissen der Netznutzer aufbauen und regionale Investitionspläne berücksichtigen. Die TYNDP sind zwar nicht verbindlich, zielen aber darauf ab, Investitionslücken, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitende Kapazitäten, zu ermitteln und den Marktteilnehmern eine Vorstellung von der Entwicklung der europäischen Übertragungsinfrastruktur zu vermitteln.

Im Jahr 2013 wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 über die transeuropäischen Netze im Energiebereich (TEN-E-Verordnung) der Ansatz für die Auswahl von PCIs aktualisiert, indem der TYNDP zur einzigen Grundlage für Übertragungsprojekte gemacht wurde, die als PCIs in Betracht kommen. Mit der TEN-E-Verordnung wurde auch ein strukturierteres Verfahren für die grenzüberschreitende Kostenzuweisung (CBCA) für Vorhaben von gemeinsamem Interesse eingeführt, um das Problem von Projekten mit ungleicher Verteilung von Kosten und Nutzen auf die beteiligten Länder zu lösen.

Die TEN-E-Verordnung steht nun zur Überarbeitung an.

Der im Dezember 2020 veröffentlichte Legislativvorschlag der Europäischen Kommission zielt darauf ab, die TEN-E-Verordnung besser auf die Dekarbonisierungsziele des Grünen Deals abzustimmen, indem die Entwicklung der Infrastruktur für saubere Energie erleichtert wird. Er konzentriert die Förderung der Energieinfrastruktur – durch Verfahrensstraffung und Finanzierung – auf Strom- und Wasserstoffinfrastruktur und Elektrolyseure, erneuerbare Gase sowie intelligente (Gas-)Netze. Außerdem wird ein obligatorisches Nachhaltigkeitskriterium eingeführt, um sicherzustellen, dass die PCI-Kandidatenprojekte mit den Klimazielen in Einklang stehen.

Darüber hinaus schlägt die Europäische Kommission vor, dass Erdgasinfrastrukturen und Ölpipelines nicht mehr für den PCI-Status in Frage kommen. In diesem Zusammenhang erklärte sie, dass „Erdgas zwar eine Rolle bei der Energiewende im kommenden Jahrzehnt spielen wird, wie der Europäische Rat anerkannt hat, der Sektor jedoch mit der Dekarbonisierung beginnen muss“. Längerfristig wird es durch erneuerbare und kohlenstoffarme Gase, z. B. Biogas und Wasserstoff, ersetzt werden.

Darüber hinaus wird in der Überarbeitung vorgeschlagen, dass bei Entscheidungen über die grenzüberschreitende Kostenzuweisung (CBCA) die vollen Kosten von PCI zugewiesen werden, damit eine Bewertung der Auswirkungen auf die Netztarife vorgenommen werden kann. Bisher wurde in vielen CBCA-Entscheidungen nur ein Teil der Gesamtinvestitionskosten zugewiesen, in der Erwartung, dass der verbleibende Anteil durch EU-Mittel gedeckt würde.

Die Entwicklung von Wasserstoffnetzen

Die EU-Wasserstoffstrategie schlägt Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung von Wasserstoff als Energieträger vor, um zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beizutragen, insbesondere in schwer zugänglichen Sektoren. Sie räumt erneuerbarem Wasserstoff Vorrang ein und setzt das Ziel, bis 2024 mindestens 6 GW Elektrolyseure zu installieren, die erneuerbaren Wasserstoff erzeugen, und 40 GW bis 2030. Ein Großteil dieses Wasserstoffs könnte jedoch lokal verbraucht werden, so dass es höchst ungewiss ist, wann ein EU-weites Wasserstoffnetz erforderlich sein wird. In dieser Hinsicht gehen die Meinungen weit auseinander. Während eine Gruppe europäischer Gasfernleitungsunternehmen schätzt, dass bis 2030 ein 6800 km langes Pipelinenetz vorhanden sein muss, um das Potenzial von Wasserstoff voll ausschöpfen zu können, und dass dieses Netz bis 2040 auf 23000 km erweitert werden muss, weisen andere Interessengruppen darauf hin, dass die angemessene Größe des Netzes in hohem Maße von der Geschwindigkeit abhängt, mit der sich Nachfrage und Angebot von Wasserstoff tatsächlich entwickeln werden. In diesem Zusammenhang empfehlen ACER und CEER einen schrittweisen Ansatz für die Regulierung des Wasserstoffnetzes entsprechend seiner Entwicklung.

Die EU-Strategie fügt hinzu, dass die Entwicklung von Wasserstoffnetzen eine solide Infrastrukturplanung voraussetzt, die die Grundlage für Investitionsentscheidungen bildet, z. B. in Form von TYNDPs. Dies wird auch private Investoren von Elektrolyseuren darüber informieren, wo sie ihre Projekte ansiedeln sollten. Der TEN-E-Vorschlag schließt die Wasserstoffinfrastruktur in seinen Geltungsbereich ein. Die TYNDP für Gas sollen Wasserstoffnetze enthalten, um ihre Verbreitung zu fördern.

Die Herausforderung der Offshore-Energie

Eine weitere (kommende) Herausforderung für die Netzplanung ist die Integration der Offshore-Energie. Derzeit sind die meisten Offshore-Windparks in Europa und auch weltweit relativ küstennah und radial verbunden, d. h. die Windparks sind einzeln an die Küste angeschlossen, und es gibt keine Koordination zwischen den Parks. Im Dezember 2020 hat das erste Hybridprojekt in Europa, Kriegers Flak“, seine Testphase begonnen. Es verbindet das deutsche und dänische Stromnetz mit Offshore-Windparks.

Um die Ziele des Grünen Deals zu erreichen, schätzt die EU-Strategie für erneuerbare Energien auf See, dass bis 2030 mindestens 60 GW Offshore-Windkapazität und 1 GW Meeresenergiekapazität installiert werden müssen, um bis 2050 300 GW bzw. 40 GW installierte Kapazität zu erreichen. Die Strategie unterstreicht die Herausforderung, die Offshore-Energie auf kosteneffiziente und nachhaltige Weise zu nutzen. Sie fördert eine rationellere Netzplanung und die Entwicklung eines vermaschten Offshore-Netzes. Dies würde eine stärkere Zusammenarbeit bei der Netzplanung zwischen den nationalen Übertragungsnetzbetreibern und den Regulierungsbehörden auf Seebeckenebene erfordern.

Die Offshore-Strategie fügt hinzu, dass „der im Rahmen der TEN-E-Verordnung geschaffene regionale Kooperationsrahmen zur Ermittlung von Projekten von gemeinsamem Interesse ebenfalls ein gutes Modell ist, auf dem man aufbauen kann“.

Außerdem kann der offshore erzeugte Strom vor Ort in Wasserstoff umgewandelt werden, der dann an Land transportiert werden muss. Daher sollte ein Offshore-Wasserstoffnetz neben oder als Alternative zu Offshore-Stromnetzen in Betracht gezogen werden. In diesem Zusammenhang wäre eine integrierte Planung von Strom- und Wasserstoffnetzen sowie von Offshore- und Onshore-Netzen unerlässlich.

Die Integration der Energieinfrastrukturplanung

Um den Dekarbonisierungsprozess weiter voranzutreiben, fordert die EU-Strategie für die Integration der Energiesysteme einen neuen, ganzheitlichen Ansatz für die Planung und den Betrieb der Infrastruktur durch die Integration der Energiesysteme.

Die integrierte Netzplanung gewinnt zwar zunehmend an Bedeutung, doch gibt es bisher nur wenige Anwendungsbeispiele.

Die zweite Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 verlangt von den Verteilernetzbetreibern (VNB), das Potenzial von Fernwärme- oder Fernkältesystemen für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen zu berücksichtigen. Auch die Elektrizitätsrichtlinie (EU) 2019/944 verlangt von den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) in ihren TYNDPs und von den Verteilernetzbetreibern (VNB) in ihren nationalen Verteilungsentwicklungsplänen, dass sie das Potenzial der Nutzung von Demand Response, Energiespeicherung und anderen Ressourcen als Alternativen zu herkömmlichen leitungsgebundenen Lösungen berücksichtigen. Diese Anforderung ist für die DSOs besonders wichtig, um vom traditionellen Kupferplatten-Ansatz zu einer effizienteren Netzplanung überzugehen, um die zunehmenden Herausforderungen durch dezentrale Erzeugung, Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen zu bewältigen.

Der gemeinsame Strom- und Gasszenariobericht TYNDP von ENTSOG und ENTSO-E (2020) ist ebenfalls ein Beispiel für integrierte Planung, um gemeinsam Lösungen und Wege zur Erreichung der Klima- und Energieziele zu finden. Diese integrierten Pläne, die auch bei der Planung der Verteilungsnetze zu berücksichtigen sind, müssen jedoch durch eine Verordnung durchgesetzt werden. In dem Vorschlag zur Überarbeitung der TEN-E-Verordnung werden ENTSOG und ENTSO-E aufgefordert, gemeinsame Szenarien zu entwickeln, die für die TYNDPs verwendet werden sollen, und für den Gas-TYNDP auch die Wasserstoffinfrastruktur zu berücksichtigen. In den Entwicklungsprozess sollten auch andere Interessengruppen wie die EU-DSO-Entität und die einschlägigen Akteure des Wasserstoffsektors einbezogen werden.

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